winziger Elektromotor

Wir beschlossen in nächster Zeit zu verschiedenen Flugzeug-Herstellern innerhalb Europas zu fliegen. Erste Station war Pipistrel in Slowenien, wo uns ein besonders innovativer und umweltfreundlicher Flugzeug-Hersteller erwartete.

 

Der Flug von LOLT nach Ajdovščina zum Flugplatz LJAJ war Routine. Mit Freigaben durch Zeltweg, Klagenfurt und Ljubljana landeten wir nach einer Stunde zwanzig am Heimatflugplatz von Pipistrel. Von der Tochter des Gründers und Inhabers TAJA BOSCAROLwurden wir bereits erwartet, sie begleitete uns bei der Exkursion und erzählte alles, was es über Pipistrel zu berichten gibt.

 

 

Eine unglaubliche Geschichte

Der Gründer und Generalmanager IVO BOSCAROL, Jahrgang 1956, arbeitete in den frühen 80iger Jahren in einer Druckerei. Sein Hobby war die Modellfliegerei, natürlich interessierte er sich auch für fliegbare Flugzeuge. In Slowenien gab es zu jener Zeit jedoch noch keine private Fliegerei, alles wurde vom Militär kontrolliert. Bei einer Geschäftsreise nach Italien entdeckte er zum ersten Mal einen Trike, der ihn sofort faszinierte. Der Import nach Slowenien war jedoch verboten, so kaufte er einen und zerlegte ihn in kleine Teile, die er einzeln über die Grenze schmuggelte. Fliegen durfte er damit allerdings auch nur illegal am Abend, als der Militärflugplatz bereits geschlossen war. Als Tüftler verbesserte er den gekauften Trike und allmählich wurden auch andere Interessenten darauf aufmerksam. Sie wollten auch so ein Fluggerät, daher begann er Trikes zu erzeugen. Weil die Flügel eines Trikes jenen einer Fledermaus ähneln, nannte er die Firma „Pipistrel“ – was auf Lateinisch Fledermaus bedeutet. Nach 10 Jahren erfolgreicher Produktion von Trikes und unendlichen bürokratischen Hürden entwickelte er das erste Ultralight Flugzeug SINUS. Bereits bei der ersten Aero Friedrichshafen Messe 1995 konnten auf Anhieb 100 Bestellungen an Land gezogen werden. Alles Weitere ist eine einzige Erfolgsgeschichte. Es wurde Tag und Nacht gearbeitet, getüftelt, entwickelt und immer wieder Neues erfunden. Die Flug- und Verkaufserfolge ließen nicht auf sich warten. Mittlerweile werden Pipistrel Flugzeuge in 85 Staaten aller Kontinente verkauft. Die Produktionsanlagen werden permanent vergrößert. Zahlreiche Weltmeisterschaften wurden gewonnen und Rekordflüge mit Pipistrel Flugzeugen durchgeführt.

 

Alles Grün und nachhaltig

Ivo Boscarol war und ist überzeugt, dass in Zukunft nur umweltfreundliche Produkte Erfolg haben werden. Das schreibt er aber nicht nur seinen Erzeugnissen auf die Fahnen, sondern auch seinem Betrieb. Das Fabrikgebäude ist das umweltfreundlichste in Slowenien, die benötigte Energie wird zu 100 % selbst erzeugt und worum es auch immer geht, es muss im Einklang mit Umweltfreundlichkeit und Nachhaltigkeit stehen. Viele Auszeichnungen erkennen diese Bemühungen der Firma Pipistrel an.

 

Ideenschmiede, Extremtests, Produktion

Bei der Werksbesichtigung durften wir sehen, wo kreative Köpfe die Flugzeuge und deren Komponenten mittels Computersimulation entwickeln. Vom 3D-Drucker bzw. Fräsroboter werden der Rumpf, die Tragflächen, das Höhen- und Seitenleitwerk „ausgedruckt“ bzw. gefräst. Nachdem es dann einen ersten fertigen Prototyp gibt, erfolgen umfangreiche Foltertests, wo Aufprall, Feuer und Abstürze simuliert werden. Die ersten 5 Prototypen werden im Haus hergestellt, dann folgt ein Outsourcing zu verschiedensten Herstellern, die für die jeweiligen Komponenten die absoluten Spezialisten sind. In der Produktion werden als Hauptmaterialien Glasfaser, Carbon und Kevlar eingesetzt. Dadurch wird enorm Gewicht gespart, die Festigkeit und Windschlüpfrigkeit erhöht. In jedem Pipistrel Flugzeug ist ein Rettungsfallschirm eingebaut. Die Durchlaufzeit von Produktionsbeginn bis Testflug beträgt pro Flugzeug ca. 1 Monat. Die Produktionskapazität sind derzeit 10 Flugzeuge pro Monat. Es gibt kein Flugzeug auf Lager, sondern jedes verkaufte Flugzeug wird genau nach Wünschen des Käufers produziert. Auf alles bezüglich Motorisierung, Instrumente, Cockpitausstattung und Spezialwünsche wird dabei eingegangen. Die Endmontage aller angelieferten Teile erfolgt wiederum im Pipistrel Werk in Ajdovščina. Mit aufwendigsten Checklisten und Barcodescan werden alle Teile bis ins kleinste Detail nochmals geprüft. Vor der Auslieferung wird jedes Flugzeug mindestens fünf Stunden lang geflogen. Durch die vorausblickende Konstruktion und gewissenhafte Produktion hat es noch nie einen Unfall aufgrund der Technologie bei Pipistrel Flugzeugen gegeben. Wegen der großen Nachfrage wird derzeit in Italien ein weiteres Pipistrel Werk gebaut, in dem die Produktionskapazität verdoppelt werden kann.

 

Reichhaltige Typenvielfalt

Es ginge zu weit, in diesem Bericht, näher auf die einzelnen erzeugten Flugzeugtypen einzugehen. All das ist im Internet unter www.pipistrel.si nachzulesen. Die aktuell meistverkauften Typen sind:

 

  • APIS/BEE – 1-sitziger Motorsegler, 15 m Spannweite, mit 28 PS
  • TAURUS M– 2-sitziges Leichtflugzeug/Motorsegler (side by side), 15 m Spannweite, mit 50 PS
  • TAURUS Electro – 2-sitziges Leichtflugzeug/Motorsegler (side by side), 15 m Spannweite, mit 40 kW Elektromotor
  • ALPHA Trainer – 10,5 m Spannweite, mit 80 PS
  • WATTsUP – 10,5 m Spannweite, mit 50 kW Elektromotor
  • VIRUS SW – 2-sitziger Ultralight, 10,7 m Spannweite, mit 80 PS
  • VIRUS – 2-sitziger Ultralight, 12,5 m Spannweite, mit 80 PS
  • SINUS– 2-sitziger Ultralight Motorgleiter, 15 m Spannweite, mit 80 PS
  • PANTHERA – 4-sitziges Motorflugzeug, 10,8 m Spannweite, mit 210 / 260 PS Benzin- oder 200 kW Elektromotor, Einziehfahrwerk

 

Panthera – das innovative 4-sitzige Benzin- oder Elektroflugzeug

Das neueste Projekt von Pipistrel ist das 4-sitzige Motorflugzeug PANTHERA mit Einziehfahrwerk. Derzeit werden die Prototypen bereits mit Benzinmotor geflogen, künftig soll aber auch eine Motorisierung mit Elektromotor für eine Reichweite von 400 km möglich sein. In der Prototypenabteilung waren alle Komponenten dieses richtungsweisenden, aerodynamisch optimal gestylten Flugzeuges zu sehen, im Hangar auch der fertige Flieger.

 

Sensationelle Erfolge

Die Liste der Erfolge ist fast unglaublich, wenn man bedenkt, dass es die Firma erst seit 28 Jahren gibt. Ein kleiner Auszug:

 

Flugmeisterschaften: 2001 nahmen der französische Pilot Phillipe Zen und sein Co-Pilot Thomas Knowles an den World Air Games in Spanien mit einer Pipistrel Sinus teil – und gewannen!

Weltumrundungen: Der slowenische Pilot Matevz Lenarcic erlangte 2004 einen rekordbrechenden Erfolg mit der Weltumsegelung mit einer Pipistrel Sinus 912, da er die erste Person war, die jemals so einen Flug mit einem Ultralight Flugzeug abschloss.

Solar Flugzeug: 2010 veröffentlichte Pipistrel die erste solargeladene Aufladestation für Elektrofahrzeuge in Slowenien.

 

Prominente Pipistrel Besitzer:

MATEVŽ LENARČIČ – Extrempilot und Abenteurer, umflog zwei Mal die Welt mit zwei unterschiedlichen Pipistrel Flugzeugen.

SERGIO LINS ANDRADE – einer der einflussreichsten brasilianischen Geschäftsmänner, Präsident und Geschäftsführer der Grupo Andrade Gutierrez S/A. Sinus & Taurus Besitzer.

GAVRILOVIĆ – Besitzer der berühmten Marke für Fleischprodukte Gavrilović besitzt einen Pipistrel Sinus und einen Pipistrel Virus SW.

STEVE MORSE – der berühmte Gitarrist von Deep Purple besitzt einen Pipistrel Sinus und einen Pipistrel Apis.

SOICHIRO FUKUTAKE – einer der reichsten japanischen Geschäftsmänner, Sinus Besitzer.

GIORGIO PERFETTI – der drittgrößte Süßwarenhersteller der Welt und Besitzer von Marken wie Brooklyn, Chlormint, Chupa Chups, Happydent, Mentos, Golia, Vivident, Big Babol etc.

KLAUS OHLMANN – deutscher Segelflieger, der 36 Weltrekorde aufgestellt hat.

 

Prominente Pipistrel Besucher:

  • Deep Purple Gitarrist STEVE MORSE
  • LARRY PAGE, der Besitzer und Mitbegründer von Google
  • JOSEPH BORRELL, Präsident des Europäischen Parlaments und mehrere Mitglieder des Europäischen Parlaments
  • JOE SUTTER, „Vater“ der Boeing 747
  • Ihre Majestät die QUEEN OF ENGLAND, trifft den Geschäftsführer von Pipistrel Ivo Boscarol.
  • Seine Königliche Hoheit PRINZ HAMZAH BIN AL HUSSEIN von Jordanien und PRINZESSIN BASMAH HAMZAH.
  • JANEZ JANŠA, Premierminister der Republik Slowenien

 

 

Schnupperflüge im TAURUS Elektro

Der TAURUS ist ein eigenstart-fähiger doppelsitziger Motorsegler. Man sitzt darin aber nicht hintereinander, sondern nebeneinander. Die zwei einziehbaren Fahrwerksräder erlauben das Rollen, wie in einem Motorflugzeug. Den TAURUS gibt es entweder mit einem 50 PS 2-Takt Rotax Motor, oder mit einem 40 KW Elektromotor.

 

Für unseren Testflug haben wir uns natürlich für das innovativste Modell mit Elektromotor entschieden. Es ist fantastisch, mit welch kurzer Rollstrecke das Flugzeug in der Luft war und welch unglaubliche Steigrate der nur leicht surrende Elektromotor ermöglichte. Weil an diesem Tag sowohl guter Hangaufwind als auch Thermik herrschte, wurde der Motor rasch eingefahren und die Segelflugeigenschaften dieses sensationellen Flugzeuges ausgekostet. Der Pipistrel Testpilot NEJC FAGANELJ zeigte uns, was in diesem Flugzeug steckt. Die Gleitzahl von 41 ist sensationell, das geräumige Cockpit lässt auch Langzeitflüge mit höchstem Sitz- bzw. Liegekomfort zu. Wenn wir nicht noch am selben Tag nach Hause zurückfliegen hätten müssen, wären wir sicher noch lange mit dem tollen Segler in den slowenischen Alpen geflogen.

 

 

Ivo Boscarol – Vordenker, der Fliegergeschichte schreibt

Nach unserer Exkursion und den zwei Flügen mit dem TAURUS wurden wir von Ivo Boscarol zu einem persönlichem Gespräch eingeladen. Er ist ein charismatischer Mensch, der nicht nur genialer Erfinder von Flugzeugen ist, sondern auch Vordenker in verschiedensten anderen Bereichen des Lebens. Neben aktivem Engagement in der slowenischen Wirtschaft ist er auch aktiver Musiker, Sportler und Familienvater. Es ist ihm und seinen 90 Mitarbeitern zu wünschen, dass alle Zukunftspläne aufgehen und sich das Unternehmen weiterhin so entwickelt wie seit seiner Gründung.

 

 

Flug nach Haus

Nachdem wir alles erfahren, die Abteilungen Konstruktion, Prototypenbau und Endmontage gesehen und den TAURUS Probe geflogen hatten, begaben wir uns wieder auf den Rückflug nach Seitenstetten. Es war ein Tag, an dem es Gott sei Dank auch in den Alpen keine Gewitter gab, sodass wir mit vielen Eindrücken wieder in Seitenstetten angelangt sind. Unsere Exkursionstour zu Flugzeugfabriken geht weiter. Tschechien und Polen stehen als nächstes am Programm.

 

 

 

Text: Wolfgang Grabner

Foto + Film: Ewald Grabner