Nach der Exkursion der PIPISTREL Flugzeugfabrik in Slowenien, dem RAUMFAHRTZENTRUM Oberpfaffenhofen, AIRBUS in Toulouse und SCHLEICHER in Poppenhausen setzten Wolfgang und Ewald G. die Besichtigung von Flugzeugfabriken in Slowenien und Tschechien fort.

Viele Flugzeughersteller

Interessant ist, dass es in den relativ kleinen Staaten in der ehemaligen Tschechoslowakei viele Flugzeugfabriken gibt. Bis auf wenige Ausnahmen ist die Ursache darin zu sehen, dass es bis zum Zerfall des Ostblocks einige große Flugzeugfabriken in der Tschechoslowakei gegeben hat. Diese produzierten jedoch ausschließlich für Sowjetstaaten. Nach Loslösung von den kommunistischen Comeconstaaten fielen die Aufträge plötzlich aus, große Fabriken mussten den Konkurs anmelden  oder sich gewaltig verkleinern. Einige ehemalige Mitarbeiter und Konstrukteure der großen Flugzeugfabriken begannen in der Folge selbst kleine Betriebe aufzubauen. Und zwar mit aktuellen Flugzeugmodellen, die dem Zeitgeist und der Zukunft entsprechen. So war das zumindest bei einigen Betrieben, die wir besucht haben.

Glaubensfrage Metall oder Kunststoff-Bauweise

Große Kontroversen herrschen bei der Ansicht, ob für Leichtflugzeuge Metall oder Composit die bessere Lösung ist. Jeder Befürworter führt große Vorteile für seine Philosophie ins Treffen. Ein eigenes Urteil konnten wir uns nicht bilden. Nach Besuch aller Fabriken sind wir aber überzeugt, dass die Zukunft den Leichtflugzeugen gehört. Sie sind optisch ansprechend, gewichtlich leicht und haben beste Flugleistungen. Rotax-Motoren können mit billigerem MOGAS geflogen werden und verbraucht nur einen Bruchteil der herkömmlichen, meist amerikanischen AVGAS Flugzeug-Motoren. Dass durch günstigen Kaufpreis, geringste Wartungskosten und sparsamste Motoren die neue Generation an Leichtflugzeugen wieder leistbar ist, überzeugt Vereine und Privatbesitzer.

Gemeinsamkeiten aller Hersteller

Eines haben alle der besuchten Betriebe gleich. Sie verwenden ausschließlich Rotax-Motore aus Österreich und sind sich einig, dass dies die besten Motoren für Leichtflugzeuge sind. Zugekauft werden von allen Herstellern auch die Instrumente, Elektronik und  Plexiglas Cockpitkanzeln. Die übrige Fertigungstiefe ist von Hersteller zu Hersteller unterschiedlich. Die AERO in Friedrichshafen ist für alle Hersteller die wichtigste Veranstaltung, um mit Käufern persönlich in Kontakt zu kommen und weltweit Vertretungen zu finden.

Aerospool Dynamic – Prievidza

Die direkt am Flughafen Prievidza angesiedelte Firma wurde 1991 gegründet und gehört 7 Gesellschaftern. Am Anfang wurden Segelflugzeug-Anhänger und Komponenten für andere Flugzeughersteller erzeugt. Dann folgten 1-sitzige Ultralight Flugzeuge bis zum heutigen Erfolgsmodell WT9 Dynamic. Bisher wurden etwa 580 Flugzeuge und 80 Bausätze verkauft. Vor zwei Jahren begann die Entwicklung eines 4-Sitzers, der 2017 in Friedrichshafen auf den Markt kommen soll. Exportiert werden die Flugzeuge in etwa 30 Staaten auf der ganzen Welt. Mit der WT9 Dynamic wurde bereits zweimal die Welt umrundet.

Die Produktion der Rümpfe und Tragflächen erfolgt aus Carbon/Glasfieber in Prievidza. Einige Komponenten werden auch auswärts gefertigt. Die Lackierung und Endmontage erfolgt wieder im Werk.  Die Modelle haben auf Wunsch ein Fix- oder Einziehfahrwerk. Produziert wird nur auf Auftrag, die Kapazität ist etwa 5 Flugzeuge/Monat. Insgesamt arbeiten zirka 100 Personen im 2-Schicht-Betrieb. In der Fabrik werden auch Speziallackierungen, Reparaturen und Überholungen gemacht.

Ein sehr interessantes Gespräch hatten wir mit dem Chefdesigner Thaddäus Waller. Er erzählte uns alles über die Entwicklung der Firma und die Vorzüge der aktuellen Modelle. Seinen Ausführungen nach ist die Dynamic ein ideales Vereinsflugzeug, sowohl für Schulung, Segelflugschlepp, als auch für Langstrecken. Die Steigleistung im Schleppflug soll 4 – 5 Meter betragen, in 25 Minuten kann ein Doppelsitzer auf 2.000 Meter geschleppt werden. Zwei Mitglieder des Kufsteiner Flugvereins waren gerade im Werk, um bei ihrer Dynamic die 100-Stunden-Kontrolle zu machen. Sie bestätigten euphorisch diese Aussagen.

 

Evektor Aerotechnik – Kunovice

Die derzeitige Firma Evektor Aerotechnik am Flugplatz Kunovice ist 1991 aus einer früheren großen Flugzeugfabrik hervorgegangen. Im Gegensatz zu Dynamic produziert Evektor die Flugzeuge aus Metall. Die einzelnen Flugzeugblechteile für Rumpf, Tragflächen und Leitwerk werden zugeschnitten, gebohrt und vernietet. Die Rümpfe sind nicht rund, sondern eckig. Einige Verkleidungsteile werden auch aus GFK hergestellt. Das Vernieten der Tragflächen mit etwa 1.000 Nieten erfolgt bei einer anderen Firma. Endmontiert und lackiert wird wieder im Werk Kunovice. Im Betrieb sahen wir, wie gerade an drei Flugzeugen in unterschiedlichen Baustadien gearbeitet wurde. Eine „EuroStar“ eines tschechischen Besitzers wurde überholt. Leider wurde uns strickt verboten, im Betrieb zu fotografieren, sodass es nur eine Außenaufnahme gibt, wo man sieht wie groß das ehemalige Werk der Firma LET in früheren Jahren war.

Der Chef des Unternehmens war trotz vieler Telefonate nirgends zu finden, sodass wir uns nicht  ausführlich mit jemand unterhalten konnten. Erzählt wurde, dass etwa 18 Mitarbeiter im Jahr ca. 30 Flugzeuge erzeugen, die in die ganze Welt exportiert werden. Die meist verkauften Modelle sind EuroStar und SportStar.

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BRM Aero – Bristela – Kunovice

Gleich neben der Evektor Flugzeugfabrik befindet sich der Neubau der Firma BRM Aero. Der Gründer und Besitzer, Herr Ing. Milan Bristela war ehemaliger Manager bei der Firma Evektor. Als es bei dieser Firma immer weiter bergab ging, machte er sich 2009 mit einer eigenen Flugzeugproduktion selbstständig. Die Flugzeuge werden zur Gänze aus Metall gefertigt. Beim Design merkt man aber einen riesigen Quantensprung, denn die Flugzeuge haben ein modernes optisch schönes Design. Sie werden nach allerletzten Kenntnissen der Aerodynamik entwickelt und umfangreichsten Belastungstests ausgesetzt. Laut Milan Bristela ist die Ganzmetall-Ausführung günstiger als Composite und einfach zu reparieren. Im ständigen Kontakt mit früheren Flugzeugkäufern wird angeboten, ältere Modelle mit neuen Verbesserungen zu ergänzen.

Die einzelnen Teile werden aus amerikanischen Flugzeug Aluminium-Spezialblech in Zulieferfirmen zugeschnitten und vernietet. Im Werk Kunovice werden sie zusammengebaut und lackiert, wobei jeder Farb- und Dekorationswunsch möglich ist. Pro Monat werden von 40 Mitarbeitern etwa 8 Flugzeuge hergestellt. Der Vertrieb erfolgt weltweit über 23 Distributeure in 26 Staaten. An der Erweiterung des Firmengebäudes wird gerade intensiv gebaut, insgesamt beträgt die Produktionsfläche dann über 4.000 m².

Zur Situation am Flugzeugmarkt meint Herr Bristela, dass kleine Firmen , die keine gute Qualität erzeugen, zusperren werden müssen. Seine Firma wächst deshalb so schnell, weil sie in allen Details perfekt ist, die beste Qualität geliefert wird und ständig mit den Kunden direkter Kontakt gepflegt wird.

LET Aircraft Industries – Kunovice

Ebenfalls direkt am Flughafengelände des Flugplatzes Kunovice befindet sich die sehr große Firma LET Aircraft Industries. Sie wurde 1936 gegründet und ist auf die Produktion von Metall-Segel- und Sportflugzeuge sowie kleinen 2-motorigen Passagierflugzeugen spezialisiert. 1963 wurde auch der Strahltrainer L 29 Delphin und verschiedene Komponenten für die sowjetische MIG 21 hergestellt. Das bekannteste Segelflugzeug ist der L-23 Superplanic und das 2-motorige Passagierflugzeug LET L 410.

Wir wurden zwar vor längerer Zeit eingeladen, das Werk zu besichtigen, als es nun so weit war, gab es jedoch keinen Termin. Wir können nicht beurteilen, ob es damit zusammenhängt, dass das Unternehmen laut Internet vor einiger Zeit in Konkurs war und 2005 von einem Investor übernommen wurde und seit 2008 51 % der Firmenanteile einer russischen Bergbauholding gehören. Deshalb konnten wir die Firma nur von außen besichtigen, aber die Produktion selbst leider nicht. Eine neue 2-motorige L 410 war allerdings auf der Abstellfläche zu begutachten.

ZLIN Aircraft –  Otrokovice – Morawan Aeroplanes

Die Marke ZLIN, die den Namen vom Firmenstandort Zlin trägt, ist die wohl bekannteste tschechische Flugzeugmarke in den westlichen Staaten. Die Anfänge des Unternehmens gehen bis zum Jahr 1924 zurück. Im Laufe von Jahrzehnten hat die Firma viele Höhen und Tiefen durchgemacht. Als ehemals größter Flugzeughersteller in Tschechien wurden viele Segelflugzeuge und einmotorige Sportflugzeuge produziert. Das bekannteste ist der ZLIN Trener, der auch heute noch für Kunstflug und im Segelflugzeugschlepp eingesetzt wird.

Nach einer Insolvenz im Jahr 2005 wurde das Unternehmen von einem Investor übernommen und das Produktionsprogramm auf die Leichtflugzeugtypen Z 134 L und Z 242 L konzentriert.

Im Vorfeld zu unserem Betriebsbesuch wurden unsere Ansuchen kategorisch abgelehnt. Man wollte unter gar keinen Umständen, dass wir die Firma besuchen und das Werk besichtigen. Wahrscheinlich wird der Grund in den kaufmännischen Turbolenzen der letzten Jahren gewesen sein. Schade, dass wir gerade diese traditionelle Flugzeugfabrik nicht besuchen durften, noch dazu weil ich selbst mit einem ZLIN Trener geflogen bin.

TL Ultralight – Hradec Králové

Im Norden Tschechiens – nahe der polnischen Grenze – liegt die Stadt Hradec Králové. Dort baute sich 1998 Jiří Tlustý in einer Garage einen Motor tricycle. Alles weitere ist eine unglaubliche Erfolgsgeschichte. Heute produziert die Firma TL Ultralight in einem renovierten ehemaligen  Militärfabrikgebäude direkt am Flugplatz. Die Firma schwört auf Carbon-Verbundwerkstoff, weil die Oberflächen der Flugzeuge so glatt sind, und man optimale Formen herstellen kann. Pro Jahr erzeugen 75 Arbeiter 90 – 100 Flugzeuge, die weltweit in 53 Staaten verkauft werden. Derzeit gibt es drei Basismodelle – den Hochdecker SIRIUS mit Fixfahrwerk, den Tiefdecker STING entweder mit fixem oder einziehbaren Fahrwerk und ganz neu ist das Tandem-Flugzeug STREAM. Hochdecker haben ein Steuerhorn, Tiefdecker einen Steuerknüppel, der neue Tandem einen Sidestick. Alle drei Typen haben serienmäßig einen Rettungsfallschirm eingebaut. Produziert wird nur bei Fixbestellung, die Lieferzeit beträgt etwa drei Monate. Auch für ältere Flugzeuge werden Ersatzteile erzeugt und selbstverständlich werden in der Fabrik auch Reparaturen und Überholungen durchgeführt.

Ein Kunststoffflugzeug muss zu 80 % eine weiße Oberfläche aufweisen, die restlichen 20 % können mit Dekor versehen werden. Die entsprechenden Aufklebefolien werden auf Kundenwunsch computergesteuert geschnitten und aufgeklebt.

Das gesamte Flugzeug – außer Motor, Instrumente und Plexiglaskuppel – werden zur Gänze im eigenen Haus in verschiedenen Abteilungen erzeugt. Also sowohl Composit-Teile wie Rumpf, Tragflächen, Leitwerk, Propeller und Fahrwerksverkleidungen, als auch sämtliche Metallteile. Um das tun zu können, ist das Unternehmen mit modernsten CNC Maschinen, Fräsrobotern, Wasserstrahl Schneideanlage und einer riesigen 3-D-Fräsanlage, mit der ein ganzes Flugzeug gefräst werden kann, ausgestattet. Für diese Investition erhielt die Firma EU-Fördermittel.

Nach einer ausgiebigen Betriebsbesichtigung durften wir uns aussuchen, welches der 3 Flugzeugmodelle wir fliegen wollen. Die Entscheidung war einfach, natürlich den TANDEM, denn es ist nicht alltäglich hintereinander und nicht nebeneinander zu sitzen. Spektakulär war die Beschleunigung und Steigleistung beim Start, obwohl der Tandem nur mit einem Rotax 914 ausgestattet ist. Wenn man ständig nebeneinander im Flieger sitzt, ist die Sitzanordnung etwas ungewöhnlich und selbstverständlich ist ein Sidestick eine völlig neue Erfahrung gegenüber mittig gesteuerten Flugzeugen.

Nach Firmenangaben ist das Preisniveau einer TL Ultralight etwas höher als das der Konkurrenz. Wenn man jedoch die Produktion gesehen hat, ist auch klar warum. Nicht umsonst werden TL Ultralight Flugzeuge auch als „Ferrari der Lüfte“ bezeichnet.

Alles in allem waren wir von der Firma, aber auch von dem schönem historischen Ort, wo wir auch übernachteten, sehr beeindruckt. Ganz sicher werden wir wieder einmal in Hradec Králové landen.

Flug hin und zurück

Beim Hinflug nach Prievidza wollten wir auch in Piestany landen. Dort gibt es ein großes Flugzeugmuseum, das wir uns natürlich ansehen wollten. Obwohl der Flugplan akzeptiert wurde,  informierte uns Bratislava nach der Grenze, dass der Platz gesperrt ist. Beim Überflug konnten wir die Ursache aber nicht erkennen, deshalb flogen wir gleich weiter nach Prievidza zur ersten Betriebsbesichtigung. Auch in Zlina LZZI und in Zlin/Otrokovice LKOT wollten wir landen. Beides war nicht möglich, in LZZI war die Piste gerade besetzt und in LKOT muss 24 Stunden vor Landung ein schriftliches Ansuchen gestellt werden. Das war uns aber aufgrund der kurzfristigen Wetter/Flugentscheidung nicht möglich. In Kunovice besuchten wir auch das Flugzeugmuseum, das einen guten Überblick über die tschechische Flugzeugindustrie erlaubt.

Generell gibt es in Slowenien und in Tschechien viele Flugplätze und viele Funkstationen, aber kaum Funkverkehr. Überall kann problemlos geflogen werden und innerhalb Slowenien und Tschechiens ist auch kein Flugplan notwendig.

Alles in allem war es sehr interessant, Einblicke in die Flugzeugindustrie und künftige Entwicklungen zu bekommen. Wenn es passt, werden wir weitere Flugzeughersteller in Europa besuchen.

Text: Wolfgang G.
Fotos: Ewald G.